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Kinder- und Jugendhilfe und ihre Statistik. 25 Jahre Forschung, Dienstleistung und Politikberatung der Dortmunder Arbeitsstelle

Fachtagung der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (AKJStat)

Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der AKJStat fand am 23.01.2020 eine Fachtagung an der Technischen Universität Dortmund mit rund 100 Teilnehmenden aus Praxis, Politik und Wissenschaft statt. An diesem Tag wurde zusammen mit dem Mitbegründer und langjährigen Geschäftsführer der AKJStat, Dr. Matthias Schilling, der das Projekt Ende 2019 in Richtung Ruhestand verlassen hat, die bisherige empirische Forschung auf Basis der Kinder- und Jugendhilfestatistik bilanziert. Darüber hinaus wurden aktuelle Herausforderungen an der Schnittstelle von Erkenntnisgewinn, Politikberatung und Praxisentwicklung für die zukünftige Projektarbeit herausgearbeitet.

Nach der Begrüßung durch die Moderation, Agathe Tabel und Dr. Jens Pothmann, richtete Prof. Dr. Thomas Rauschenbach als Leiter der AKJStat und Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in seinem Vortrag den Fokus auf die Potenziale der Sekundäranalysen amtlicher Daten für die Kinder- und Jugendhilfeforschung, aber auch für Praxisentwicklung und Politikgestaltung. Er stellte dabei die zentrale Bedeutung der Analysen amtlicher Daten für den „Kita-Ausbau“ – insbesondere für die Gruppe der unter 3-Jährigen – heraus, verwies auf das etablierte Monitoring der AKJStat zu den Hilfen zur Erziehung und betrachtete die Relevanz der Analysen für die in den letzten Jahren stärker gewordene mediale Berichterstattung über die Kinder- und Jugendhilfe. Kritisch fiel die Bilanzierung der Nutzendengruppen mit Blick auf die wissenschaftliche Sozialpädagogik aus: Hier fallen, so Rauschenbach, Sekundäranalysen amtlicher Daten als eigene Erkenntnisform noch zu selten auf einen „wirklich fruchtbaren Boden“.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion zur Relevanz, Leistungsfähigkeit und Zukunft der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik wurden in den Statements der Teilnehmenden über ihre Erfahrungen mit der KJH-Statistik einige Thesen des Einführungsvortrags wieder aufgegriffen und bestätigt, so z.B. den Bedarf eines stärkeren Sichtbarmachens der amtlichen Statistik in der Wissenschaft bzw. der „Scientific Community“. Nachgefragt wurde aber auch nach der Relevanz empirischer Forschung und datengestützter Analyse in Zeiten von „alternativen Fakten“ oder auch „Fake News“. Die Teilnehmenden waren sich darin einig, dass dies nichts an der Bedeutung fachwissenschaftlicher Analysen durch beispielsweise die AKJStat zur Kinder- und Jugendhilfe ändert – im Gegenteil. Vor diesem Hintergrund formulierten die Teilnehmenden abschließend Herausforderungen für die Weiterentwicklung der KJH-Statistik, beispielsweise hinsichtlich der Datenverfügbarkeit, einer noch intensiveren Nutzung der Ergebnisse oder auch für die Verbesserung der Erhebungsinstrumente.

Nach einem Mittagsimbiss startete der zweite Teil der Tagung mit 4 Workshops zur datengestützten Qualitätsmessung für die Kindertagesbetreuung, zur Kinder- und Jugendarbeit und ihrer Statistik, zur Politikberatung für Weiterentwicklungen im Arbeitsfeld Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfen sowie zum Datenbedarf beim institutionellen Kinderschutz. Die Foren umfassten jeweils Beiträge der Mitarbeiter:innen der AKJStat, die durch Expert:innen kommentiert wurden.

Workshop 1: Qualitätsmessung mit amtlicher Statistik für die Kindertagesbetreuung

Inputs:

Im ersten Workshop wurde zunächst kontrovers über das Verständnis von Qualität diskutiert und aus welcher Perspektive Qualität gemessen wird. Denn je nach Qualitätsmerkmal können verschiedene Akteur:innen (z.B. Personal, Eltern, Kinder) dem eine unterschiedliche Bedeutung zuschreiben. Darüber hinaus wurde die hohe Bedeutung der amtlichen, insbesondere der Kinder- und Jugendhilfestatistik für die Forschung zur Kindertagesbetreuung hervorgehoben. Es wurde aber auch über über die Notwendigkeit diskutiert, unterschiedliche empirische Zugänge zum Erkenntnisgewinn zu nutzen und diese miteinander zu kombinieren bzw. aufeinander zu beziehen (wie z.B. die Daten der amtlichen Statistik und von Surveyforschung).

Workshop 2: Sichtbarkeit und Marginalisierungsschutz für die Kinder- und Jugendarbeit durch amtliche Statistik

Inputs:

Nach Einblicken in die Beobachtung der Kinder- und Jugendarbeit durch die amtliche Statistik sowie einigen Markierungspunkten zu ihrer Weiterentwicklung durch die Referierenden vergewisserte man sich zunächst über die fachpolitische Bedeutsamkeit empirischer Grundlagen für das Arbeitsfeld. Im weiteren Verlauf wurde nach noch nicht ausgeschöpften Potenzialen bei Erhebung, Auswertung und Nutzung gefragt. Die Teilnehmenden diskutierten insbesondere unterschiedliche Szenarien für eine Weiterentwicklung der Erhebung zu den Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit.

Workshop 3: Politikberatung zur Weiterentwicklung von Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen durch amtliche Statistik

Inputs:

Im Workshop zu den Hilfen zur Erziehung wurde über die Bedeutung der Statistik als ein unter mehreren Wirklichkeitsausschnitten diskutiert. Es wurde aber auch einerseits betont, dass mit landes- und bundesweiten Monitorings, wie z.B. dem „Monitor Hilfen zur Erziehung“, Themen gesetzt werden können, die es andererseits auch in unterschiedlichen Diskussionsräumen mit Akteuren aus Praxis, Politik und Wissenschaft immer wieder kritisch zu reflektieren und weiterzuentwickeln gilt.

Workshop 4: Fragen und Antworten zum Kinderschutz – Passgenauigkeit von Wissensbedarf und Daten der amtlichen Statistik

Inputs:

Fragen und Antworten zum Kinderschutz – Passgenauigkeit von Wissensbedarf und Daten der amtlichen Statistik

  • Input von Dr. Thomas Mühlmann (AKJStat)
  • Input von Prof. Dr. Kay Biesel (Fachhochschule Nordwestschweiz)

Die Teilnehmenden des Workshops „Fragen und Antworten zum Kinderschutz“ diskutierten über die Passgenauigkeit von Wissensbedarf und Daten der amtlichen Statistik. Dabei thematisierten sie sowohl kurzfristige und schnell umsetzbare Überarbeitungsbedarfe der amtlichen Statistik als auch langfristige Perspektiven, wie beispielsweise die Idee eines „Kinder- und Jugendhilfe-Zensus“. Formuliert wurde auch – wie schon in den anderen Workshops – das Anliegen, die Ergebnisse der Kinder- und Jugendhilfestatistik mit verschiedenen Daten anderer Quellen zu verknüpfen und in Beziehung zu setzen.  

Die Workshops zeichneten sich insgesamt durch intensive und fachlich fundierte Diskussionen aus. Es wurden nicht nur Erkenntnisse und Erfahrungen ausgetauscht, sondern darüber hinaus wurden spannende Gedanken zur Zukunft der Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch zu den Perspektiven für die Kinder- und Jugendhilfestatistik entwickelt.

Von den Workshops zurück im Tagungsplenum wurde das Wirken der AKJStat als Projekt einer Kinder- und Jugendhilfeforschung in den Mittelpunkt gestellt. Es begann mit einem zeitgeschichtlichen und visualisierten Rückblick der Tagungsmoderation zu einigen Meilensteinen von 25 Jahren AKJStat.

In einer anschließenden Gesprächsrunde mit langjährigen Wegbegleitern wurde die „Geschichte“ der AKJStat aus der Außenperspektive betrachtet. Hier wurde nicht nur auf die langjährige Zusammenarbeit zurückgeblickt, sondern einmal mehr wurde nach den Perspektiven und der Zukunft des Projekts gefragt. Dabei konnten alle Teilnehmenden zum Schluss dem Philosophen Wilhelm Dilthey folgen: „So ist die Gegenwart von der Vergangenheit erfüllt und trägt die Zukunft in sich.“

Nach den Außenansichten durften zum Ende des Fachtages die Innenansichten zur AKJStat von Prof. Dr. Thomas Rauschenbach und dem scheidenden Dr. Matthias Schilling nicht fehlen. Bei der Gelegenheit dankte das Projektteam abschließend ihrem langjährigen Geschäftsführer noch einmal ausdrücklich und herzlich für sein Schaffen und Wirken in den letzten 25 Jahren.